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Keine Lust auf „Konsens-Einheitsbrei“

SPD-Landtagskandidat Sebastian Zinke nimmt sich Lars Klingbeil als Vorbild, um am 15. Oktober direkt gewählt zu werden


Mit dem roten Bus nach Hannover: Als SPD-Direktkandidat möchte Sebastian Zinke in den neuen Landtag einziehen – am liebsten unter einem Ministerpräsidenten Stephan Weil, dessen Konterfei auf der anderen Seite des Busses angebracht ist. jr

WALSRODE. Die Blaupause kann Sebastian Zinke gut gebrauchen. Gerade erst ist das Direktmandat vor Ort bei der Bundestagswahl von der CDU an die SPD gewechselt, Lars Klingbeil dabei als großer Sieger für die Sozialdemokraten hervorgegangen, da steht die nächste Direktwahl an: Und dabei will Zinke (SPD) es seinem Kreisvorsitzenden gleichtun. Das Direktmandat im Wahlkreis Walsrode soll es werden. Nicht mehr. Aber eben auch nicht weniger.

Von Lars Klingbeil lernen heißt siegen lernen. So in etwa lautet das Motto des Benefelders. Zum Auftakt bittet er – wie Klingbeil – zum Pressegespräch, um seinen Plan zu erläutern. Hausbesuche, Infostände – natürlich hat Zinke auch diese Dinge auf der Agenda. „Lars Klingbeils Sieg war die Ernte von acht Jahren harter Arbeit in der Region“, sagt der 36-Jährige, „und diese Arbeit ist auch Ansporn, das so im Landtag zu machen.“

Er wolle im Falle einer Wahl Botschafter, ein Kümmerer sein, sagt er. „Die Landesregierung kann die Probleme nur kennen, wenn sie auch an die Regierung herangetragen werden.“ Beispiele? „Das Heidekreis- Klinikum erhält eine Menge Geld vom Land“, so Zinke, das läge nicht daran, dass sich die Landtagsabgeordnete gekümmert habe, fährt Zinke fort., „sondern das hat der Aufsichtsrat getan“. Dass Zinke dort Mitglied ist, verhehlt er nicht. Auch die Landesmittel zur Konversion in Bad Fallingbostel seien nicht Früchte der Arbeit der CDU-Landtagsabgeordneten, erklärt Zinke, „sondern dafür hat sich mein SPDKollege Maximilian Schmidt aus Celle eingesetzt“. Ein Versprechen gebe er den Menschen deshalb bei seiner möglichen Wahl: „Ich werde mich für die Region einsetzen – und zwar unabhängig davon, ob die SPD die Regierung stellt oder nicht. Dass dies derzeit so geschieht, kann ich nicht erkennen.“

Dieser Seitenhieb galt der CDU-Abgeordneten, deren Namen Zinke nicht ausspricht: Gudrun Pieper, die zuletzt – 2008 und 2013 – zweimal den Sieg einfahren konnte, gilt bei der Wahl am 15. Oktober als Favoritin. Dass Herausforderer Zinke als Außenseiter ins Rennen geht, ahnt er. Dennoch setzt er ausschließlich auf das Direktmandat. „Ich will nicht über die Parteischiene in den Landtag einziehen“, sagt er, „wenn ich starte, dann von den Menschen aus der Region direkt beauftragt.“
Es ist schnell zu erkennen: Auf einen „Kuschelkurs“ will er sich im Wahlkampf nicht begeben – und darin liegt vielleicht ein großer Unterschied zur Klingbeil- Kampagne. „Die Leute haben die Nase voll vom Konsens- Einheitsbrei“, sagt er. Dabei gehe es nicht um den Streit des Streits wegen, sondern darum, „dass die Menschen schon sehen müssen, dass es Unterschiede gibt“. Die SPD sei immer dann erfolgreich gewesen, wenn sie zwei Dinge beherzigt habe. „Erstens, wenn sie Visionen aufzeigt, wie man das Zusammenleben gerechter gestalten kann“, so Zinke. Und zweitens, wenn sie beweisen würde, dass Sozialdemokraten vernünftig regieren können, „und das hat Ministerpräsident Stephan Weil getan“.

Drei Sachthemen hat sich Zinke, der derzeit als Persönlicher Referent der SPDFraktionsvorsitzenden im Landtag, Johanne Modder, arbeitet, für seinen Wahlkampf ganz oben auf den Block geschrieben. Das erste – Bildung – liege ihm dabei besonders am Herzen, „weil ich aus einer kinderreichen Familie stamme und ich der Erste war, der Abitur machen konnte“, sagt er. Zwar sei schon viel passiert, aber noch immer gebe es diese finanzielle Barriere. „Jeder muss die Chance haben“, sagt er – und das beginne eben auch damit, dass die Kindergärten beitragsfrei seien, „und natürlich auch mit der kostenlosen Schülerbeförderung in der Sekundarstufe II“.

Groß in Form kommt Zinke, selbst Polizeioberrat, beim Thema Sicherheit. „Eine solidarische Gesellschaft kann es nicht geben, wenn die Menschen sich nicht sicher fühlen“, sagt er. Und: „Dazu gehört auch, dass man Gefährder und Straftäter in ihre Länder zurückbringt. Das muss der Staat auf die Reihe kriegen, sonst gibt es kein Vertrauen.“ Niedersachsen habe noch nie so viele Polizisten gehabt wie derzeit, sagt er, und 1000 zusätzliche Polizisten werde Niedersachsen einstellen im Falle eines SPD-Wahlerfolgs. Genau so wichtig sei jedoch die Ausstattung; Streifenwagen etwa müssten mit mobilen Endgeräten versehen werden, „damit Vorgänge gleich angelegt werden können“, damit werde sich die Effizienz erhöhen. Und zudem müsse das Recht so gestaltet werden, dass die Polizei die Möglichkeit hat, dort unterwegs zu sein, wo die Täter auch unterwegs sind – nämlich in Kanälen wie „Whatsapp“. Er wisse, dass er bei dem Thema „Vorratsdatenspeicherung“ nicht mit allen Sozialdemokraten übereinstimme, „aber Einbrecher findest du nicht durch Herumfahren in Wohngebieten“, sagt er.

Als letzten Schwerpunkt sieht er die Entwicklung des ländlichen Raums, insbesondere im Heidekreis. „Die Menschen werden immer mobiler“, sagt Zinke, „der Heidekreis muss dabei ein Lebensumfeld bieten, um als ,Homebase‘ attraktiv zu sein.“ Dazu gehöre nicht nur eine schnelle Datenautobahn, sondern auch beste Verkehrsanbindung. „Der Erixx ist schon gut“, sagt Zinke, „aber ich möchte, dass mittel- bis langfristig eine S-Bahn in den Heidekreis hineinfährt.“ Das werde sicher nicht in den kommenden fünf Jahren geschehen, „aber wir müssen dieses Thema vorantreiben, sonst werden wir abgehängt“. In diesem Zusammenhang ist übrigens ausnahmsweise nicht Klingbeil das Vorbild, sondern der frühere SPDLandtagsabgeordnete Dieter Möhrmann. „Er ist in den 1980er Jahren damit in die Politik gestartet, die Heidebahn zu retten“, erklärt Zinke, „Dieter Möhrmann hat lange dafür gekämpft, 2016 schließlich war die Heidebahn komplett ertüchtigt.“ Dass man in der Politik einen langen Atem haben muss, zumindest das wird Zinke im Falle seiner Wahl dann jedenfalls nicht überraschen.

 

Quelle: Walsrode Zeitung vom 29.09.2017, Bericht und Foto: Jens Reinbold