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Wasserrad oder raue Rampe

Standort für moderne Technik zur Energiegewinnung oder Gefahr der Absenkung des Grundwasserspiegels und Austrocknung der Region.

Zu diesem surreal klingenden Thema trafen sich der Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil, Bürgermeisterin der Gemeinde Hademstorf, Ulrike Wiechmann-Wrede, der Arbeitsgruppenleiter für Regenerative Energien vom Institut für Statik und Dynamik der TU Braunschweig, Christian Seidel sowie der Fachexperte für Grundwasserströmung und Hochwasserberechnungen der TU-Braunschweig, Dr. Lars Ostermann, auf Einladung des hiesigen Landtagsabgeordneten Sebastian Zinke am Nadelwehr in Hademstorf.

Schon seit einiger Zeit gibt es die Bestrebungen der TU-Braunschweig, neue Technologien aus altbewährten Techniken zur Energiegewinnung aus Wasserkraft zu entwickeln und zu optimieren. Ergebnis ist hierbei die Stahl-Hochleistungswasserradtechnologie, mit der auch bei geringen Fallhöhen mittlere und große Durchflussmengen genutzt werden können. Entlang der Aller wurden für die Technologie zwei Standorte lokalisiert, die vielversprechende Perspektiven aufzeigen, um die neue Technologie im technischen Großmaßstab zu erproben und zu entwickeln. So gibt es einen ersten Standort in Bannetze, Landkreis Celle, wo der technische Funktionsnachweis der neuen Technologie in einer Forschungswasserkraftanlage erbracht werden soll, sowie das Wehr in Hademstorf, als zusätzlichen Standort für weitere Forschung und Entwicklung.

In Hademstorf ist hierbei für die Optimierung und Weiterentwicklung Technologie eine Pilot- und Demonstrationsanlage zum wirtschaftlichen Nachweis der neuen Technologie angedacht. Nach den bisherigen Berechnungen haben beide Standorte das Potenzial, 5,6 Millionen Kilowattstunden grundlastfähigen Strom aus der Kraft des Wassers zu erzeugen, ausreichend um 11.000 Personen zu versorgen, berichtet Christian Seidel von der TU-Braunschweig, der das Gesamtprojekt leitet. Bereits im Jahr 2009 startete laut Seidel die Projektierung und entwickelte sich trotz einiger widriger Umstände bei der Beantragung von Förderungsmitteln des Bundes, zu einem anerkannten Projekt. Auch durch den Einsatz des Landtagsabgeordneten Sebastian Zinke, der sich nachdrücklich für das Projekt im Umweltministerium stark machte, konnte der damalige Umweltminister Olaf Lies, von der Relevanz dieses Projektes überzeugt werden. „Technologien müssen entwickelt aber auch allgemein akzeptiert werden. Beides scheint hier der Fall zu sein. Insbesondere heute müssen Technologien zur nachhaltigen Energiegewinnung gefördert und unterstützt werden. Besonders, wenn es auf allen Ebenen, wie in diesem Falle, auch bei den Umwelt- und Naturschutzverbänden entsprechende Rückendeckung gibt. Die Umsetzung einer innovativen Technologie ´made´ in Niedersachsen“ hätte Vorbildcharakter für das ganze Land“ so Zinke.

Der Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil zeigte sich beeindruckt vom Projekt der TU-Braunschweig und brachte den Gedanken an ein Reallabor ins Spiel. Hier könnten verschiedene Aspekte zur Energiegewinnung durch Wasserkraft in der Aller erforscht werden. "Wasser ist ein wichtiger Energieträger für die Zukunft. Gerade in diesen Zeiten müssen wir alles daran setzen, zukunftsfähige Technologien in unserer Region voranzutreiben. Zusammen mit allen Beteiligten möchte ich unsere Heimat zur Zukunftsregion machen", so Klingbeil.

Trotz der vielen Bemühungen und der positiven Resonanz, schweben über der Umsetzung des Projektes, Bestrebungen des Wasser- und Schifffahrtsamtes, wie ein Damokles-Schwert. Das Wehr in Hademstorf soll abgerissen und durch einen Raugerinne-Beckenpass, einer Art rauer Rampe ersetzt und der Wasserspiegel zwischen Hademstorf und Marklendorf großflächig abgesenkt werden. Das Wasserrad-Projekt wäre damit vom Tisch, zeigt sich Zinke beunruhigt: „Trotz aller intensiven Bemühungen wird durch die Bundesbehörde der Rückbau des Wehres forciert, was auch für die Region zu Auswirkungen führen könnte, die heute noch gar nicht abschätzbar sind“. Christian Seidel und Dr. Ostermann erläutern dazu, dass nach den ihnen vorliegenden Daten des vorgesehenen Raugerinne-Beckenpasses und den an der TU-Braunschweig erfolgten Berechnungen, die Wasserstände deutlich mehr abfallen würden, als es die Daten der Bundesbehörde suggerierten. Dies könne laut den Experten zu fallenden Grundwasserspiegeln und zur Entwässerung der Flächen im Aller-Leine-Tal führen. Eine Möglichkeit zur Rückhaltung des Wassers in der Fläche und eine Steuerung und Kontrolle der Wasserstände und des Grundwasserspiegels sei so nicht mehr vorhanden. Auch Bürgermeisterin Ulrike Wiechmann-Wrede sieht das mit Sorge. Staustufen seien relevant, bei Starkregenereignissen böten sie die Möglichkeit zur Regulierung, in Trockenphasen dienen sie zur Wasserhaltung, erläutern die Wissenschaftler der TU-Braunschweig. Im Sommer 2022 hat es bereits eine Austrocknung von Teilen der Wietze im Landkreis Celle mit über 6.500 toten Fischen gegeben, dem hätte mit entsprechenden Staumöglichkeiten vorgebeugt werden können. Allerdings werden in Niedersachsen seit 20 Jahren Wehranlagen und Querbauwerke massiv zurückgebaut, was zu sinkenden Grundwasserspiegeln und in Niedrigwasser- und Dürrephasen zur Austrocknung der Gewässer führt, da der durch die Querbauwerke bewirkte Wasserrückhalt im Gewässerbett nicht mehr vorhanden sei, gibt Christian Seidel zu bedenken. Auch in Osterloh oberhalb von Celle hat der dort erfolgte Wehrabriss und Umbau in ein Raugerinne-Beckenpass in diesem Sommer dafür gesorgt, dass die Aller für den Bootsverkehr gesperrt werden musste auf Grund zu geringer Wasserstände.

„Die Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren zu den Umbaumaßnahmen der Wasserstraßen- und Schiffahrtsverwaltung lägen bereits aus, Einlassungen hierzu seien nur bis Ende Januar möglich“, moniert Ulrike Wiechmann-Wrede, „das bietet angesichts der Komplexität der Planungen kaum Zeit, um adäquate Einwände vorzubringen. Das Zeitfenster ist erdenklich schlecht gewählt“. Auch der Abgeordnete Sebastian Zinke gibt zu bedenken, dass „das  Zeitfenster für die Auslegung der Unterlagen über die anstehenden Feiertage und den Jahreswechsel schlicht zu kurz ist. Die Ausführungen der TU-Braunschweig geben zu denken und sollten dem gegenübergestellt werden. Hier muss die Möglichkeit zu einer umfassenden Ausarbeitung und Stellungnahme gegeben werden. Bereits der damalige Umweltminister Olaf Lies hatte sich über die möglichen Auswirkungen einer rauen Rampe besorgt gezeigt“.

Alle Beteiligten sind sich dahingehend einig, dass dem Projekt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse. Lars Klingbeil wandte sich umgehend an den zuständigen Bundes-Verkehrsminister Volker Wissing, um einen Aufschub zu erwirken. Sebastian Zinke wird sich an den neuen Umweltminister Christian Meyer wenden, um die bisherigen Planungen zum Wasserrad weiter zu forcieren. Zinke und Klingbeil wollen sich auch weiterhin für die Region stark machen, insbesondere auch die derzeitige Situation bei der Energieversorgung rückt dabei auch im Heidekreis immer mehr in den Fokus.