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„Wir werden dabei der Vernunft folgen“

Doris Schröder-Köpf, Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe, beantwortet Fragen zur Flüchtlingssituation

Die Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe, Doris Schröder- Köpf, stellte sich im Dorfmarker Gasthaus Meding den Fragen des SPDLandtagskandidaten Sebastian Zinke und der Besucher. Die doppelte Staatsbürgerschaft war eines der Themen, die Flüchtlingspolitik ein anderes. jr
Die Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe, Doris Schröder- Köpf, stellte sich im Dorfmarker Gasthaus Meding den Fragen des SPDLandtagskandidaten Sebastian Zinke und der Besucher. Die doppelte Staatsbürgerschaft war eines der Themen, die Flüchtlingspolitik ein anderes. Foto:WZ/jr

DORFMARK. Doris Schröder- Köpf hielt sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf. „Ich stamme aus einem kleinen bayerischen Dorf“, erzählte die Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe, „meine Mutter lebt dort heute noch.“ Und ihre Mutter, sagte sie, hatte Angst, als vor zwei Jahren Flüchtlinge zu Hunderttausenden ins Land kamen. „Auch davor, dass bei ihr zu Hause Flüchtlinge einquartiert werden“, verriet die 54-Jährige, die auf Einladung des SPD-Landtagskandidaten Sebastian Zinke am Montagabend in Dorfmark zu Gast war.

Auch in Dorfmark drückten einige der etwa 50 Gäste ihr Unbehagen darüber aus, was Deutschland seit zwei Jahren bewegt. „Ich fühle mich provoziert, wenn Frauen Kopftuch tragen“, sagte ein Besucher, ein anderer bemerkte, dass die große Bevölkerungszunahme in Afrika wohl dazu führen werde, dass sich weiterhin große Menschenströme in Richtung Europa und Deutschland auf den Weg machen werden.

Doris Schröder-Kopf hatte in Dorfmark zwar nicht auf jede Frage eine Antwort, aber sie redete auch nicht um den heißen Brei herum. „Die SPD wird immer für großzügige humanitäre Regelungen sein“, sagte sie und verwies auf die Geschichte ihrer Partei, die nach dem Krieg von politisch verfolgten Flüchtlingen wieder gegründet worden sei. „Aber wir werden dabei der Vernunft folgen. Die Sozialkassen und Systeme müssen das auch tragen können. Derzeit ächzt das System schon“, sagte sie. Allerdings sei es vor zwei Jahren eine Situation gewesen, „die wir nicht verursacht haben. Es ist keine Alternative, sich nicht um die Menschen zu kümmern. Wenn wir uns um sie kümmern, dann auch, weil wir davon profitieren können.“

"Die Strukturen sind nie angepasst worden. Das fällt uns nun auf die Füße."

Doch dabei seien enorme Kraftanstrengungen nötig. Und deshalb, daran ließ Schröder-Köpf keinen Zweifel, müsse die Politik auch die Strukturen ändern. Für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sei etwa das Bundesfamilienministerium zuständig, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei dem Innenministerium unterstellt, die Arbeitsmarktmaßnahmen werden wiederum vom Arbeitsministerium gesteuert. Schließlich unterliege die Arbeit mit Migranten in den Schulen den Ländern, die zudem auch Sprachkurse anbieten, weil nicht alle Geflüchteten in den Sprachkursen des Bundes unterkommen. Diesen Mischmasch an Zuständigkeiten könne ein Bundesministerium ersetzen, in dem alle Aufgaben gebündelt werden. „Deutschland ist quasi durch die Hintertür eines der größten Einwanderungsländer der Welt geworden“, so Schröder-Köpf, „aber die Strukturen sind nie angepasst worden. Das fällt uns nun auf die Füße.“ Sie sprach sich für ein Einwanderungsgesetz aus, „das auch unserem Interesse dient“, sagte sie. Viele Menschen kämen über die Säule „Asyl“ ins Land. Wenn diese Leute eine Möglichkeit sehen würden, über einen regulären Weg nach Deutschland zu kommen, würde der Druck aus der Migrationsbewegung zumindest ein Stück weit weichen. Ein anderer Baustein sei, für eine deutlich bessere Situation für die auf der Flucht befindlichen Menschen an EU-Außengrenzen zu sorgen. „Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ist dramatisch unterfinanziert“, erklärte die Landesbeauftragte. „Wir müssen die Anrainerstaaten viel besser ausstatten, damit die Perspektivlosigkeit der Menschen in Flüchtlingslagern nicht so groß ist.“ Sie verwies gleichzeitig auf die EU-Länder an den Außengrenzen, die derzeit wieder unter starken Druck geraten. „Wenn wir die Situation nicht verändern, werden diese Länder die Flüchtlinge wieder durchlassen.

Die Frage nach der Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft wollte Schröder-Köpf nicht mit einem klaren „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Am Beispiel von polnischen Zuwanderern machte sie die Problematik deutlich: „Mit einer doppelten Staatsbürgerschaft dürfen diese Menschen in Deutschland und in Polen wählen“, erklärte sie. Das habe Konsequenzen, weil die jeweiligen Regierungen Vertreter in den Europäischen Rat schicken. „Das muss man auch zu Ende denken“, weil Bürger mit doppelten Staatsbürgerschaften immer mehr werden würden. „Ein Mensch – eine Stimme“ müsse gelten, sagte Schröder-Köpf, die für nicht EU-Bürger eine andere Handhabung sieht: „Nach drei oder vier Generationen sollte die doppelte Staatsbürgerschaft nicht mehr möglich sein“, sagte sie.

Doris Schröder-Köpfs Mutter schläft heute übrigens wieder ruhiger. „Als die geflüchteten Menschen da waren“, sagt die Landesbeauftragte, „da sind die Ängste auch zurückgegangen.“

 

Quelle: Walsrode Zeitung vom 20.09.2017, Bericht und Foto: Jens Reinbold